Interview mit Hannah Pöhlmann
Vor gut zwei Jahren, als Hannah Teil des Teams wurde, haben wir unser Angebot um den Bereich Übersetzungen erweitert. In einem Gespräch mit unserer Kollegin Lena gibt Hannah Einblicke in ihre Arbeit als Übersetzerin und die Vielfalt der von ihr bearbeiteten Textgenres.
Lena: Du arbeitest sowohl an wissenschaftlichen als auch an literarischen Übersetzungen. Gibt es bestimmte Überlegungen, die du bei der Arbeit an Fachtexten anders gewichtest als bei literarischen Werken?
Hannah: Bei Fachübersetzungen, also Übersetzungen von Sachtexten, entfallen Überlegungen zu Erzählstimme, Fokalisierung, Aufbau der Figuren etc. weitestgehend. Hier ist es am wichtigsten, dass die Informationen richtig und verständlich übertragen werden. Für die Recherche lese ich dann Artikel über Personen oder Ereignisse. Bei einer Fachübersetzung von Ausstellungstexten vor kurzer Zeit war es beispielsweise essenziell, dass das korrekte Fachvokabular, das in dem spezifischen historischen Kontext gebräuchlich ist, verwendet wird. Das habe ich mir dann durch Recherche, Rückfragen bei den Kund:innen und Austausch mit englischsprachigen Expert:innen auf dem Gebiet angeeignet.
L: Gibt es besondere Strategien beim Übersetzen, um sicherzustellen, dass die übersetzte Arbeit nicht nur sprachlich korrekt ist, sondern auch den richtigen Ton, Stil und die kulturellen Nuancen wiedergibt?
H: Ich gehe mal auf ein Beispiel aus meiner jüngsten Literaturübersetzung ein. Da schläft eine Figur auf dem Sofa ein und als sie wieder aufwacht, läuft ein Dokumentarfilm über „California pitcher plants“; das sind fleischfressende Pflanzen, die hauptsächlich im Nordwesten der USA vorkommen. Im Roman steht an dieser Stelle der Text, den der Sprecher im Dokumentarfilm spricht, das Setting ist also klar. Es handelt sich um einen gesprochenen, informativen Text innerhalb eines literarischen Textes, in dem erklärt wird, wie diese Pflanzen ihre Beute verzehren. Der Ton wird an dieser Stelle sachlich-erklärend. Beim Übersetzen hatte ich die typischen Stimmen von Sprecher:innen aus Naturdokus im Kopf. Mir hilft es immer, mir alles genau vorzustellen, in diesem Fall auditiv und visuell. Und um das Fachvokabular, zum Beispiel die Pflanzenteile, richtig zu benennen, habe ich Fotos mit Beschriftungen gegoogelt und mir Videos von Insekten, die von dem süßlichen Geruch der Pflanze angezogen werden, angeschaut. Also: Um Ton, Stil und kulturelle Nuancen gelungen zu übersetzen, ist es wichtig, sehr gut Bescheid zu wissen und sich vorstellen zu können, was im Original intendiert wurde.
L: Hand aufs Herz: Verwendest du manchmal DeepL? Warum oder warum nicht?
H: Ich benutze DeepL und finde KI beim Übersetzen manchmal wirklich hilfreich. Durch die Übersetzungsvorschläge von DeepL kommen mir manchmal neue Ideen. Tatsächlich sehe ich die Übersetzungen von DeepL oder ChatGPT aber immer als Vorschläge und habe noch nie einen mithilfe von KI übersetzten Satz eins zu eins übernommen.
L: Kannst du uns ein Beispiel für ein Wort aus dem Englischen ins Deutsche nennen, dessen genaue Übersetzung du besonders schwierig findest?
H: Redewendungen sind oft schwierig zu übersetzen. Hinter „the last straw that broke the camel’s back“, oft einfach auf „the last straw“ verkürzt, und „der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“ steckt zwar die gleiche Bedeutung, das Bild ist aber ein ganz anderes. Und für manche englische Redewendungen gibt es einfach kein deutsches Äquivalent oder zumindest kein gutes, zum Beispiel „spill the beans“ würde ich wahrscheinlich mit etwas „ausplaudern“ oder „verraten“, vielleicht sogar mit „Spuck schon aus“, wenn es als Aufforderung gemeint ist, übersetzen, da gehen dann aber in allen Fällen sowohl das Bild als auch die idiomatische Wendung verloren, was natürlich schade ist.